Das bewegt uns (im Sommer 2020)…

Sommer, Sonne, Sonnenschein – oder doch nicht? – Das Mittagessen fällt heute aus

Die meisten von uns haben sich mittlerweile wohl damit abgefunden, dass dieses Jahr von unseren Erwartungen abweichen wird und die ein oder andere Herausforderung hinter der nächsten Ecke wartet. Nach #stayathome, Homeschooling, Homeoffice und Homeworkouts scheint die lang ersehnte Erlösung zum Greifen nahe: Sommerferien. Die Stimmung ist super, bei allen drei Kindern, den zugehörigen Eltern und mir als Patentante, denn glücklicherweise wohnen wir in einer Region Deutschlands, in der andere Urlaub machen. Wir können Radfahren, Laufen, Wandern, Schwimmen, Bergsteigen, Gleitschirmfliegen – und das alles sogar ohne Maske. Klingt paradiesisch, nicht wahr?

Inmitten dieser ganzen Euphorie höre ich den Tagesschausprecher im Hintergrund für die kommende Woche den lang ersehnten Regen ansagen und zwischen Abendessen, Basteln und Küche aufräumen dringt zu mir durch, dass nun auch endlich Baden-Württemberg Ferien hat. Juhu!

Als Sonntag das Wetter langsam umschlägt und ich den Kindern mitteile, dass wir wohl erst Dienstag ins Schwimmbad oder zum See können, ist die Stimmung fürs Erste getrübt und auch meine diversen Angebote an Indoor-Beschäftigung werden vollständig mit „Nein“ oder einem lustlosen „Kein Bock“ abgelehnt. Verständlich, ist ja nicht so, als wären wir die vergangenen Wochen pausenlos unterwegs und Indoor-Aktivitäten eine Rarität gewesen. Familienalltag und Kinder in Zeiten von Corona – mir dämmert es langsam. Mein Joker an diesem Tag: Acrylfarben. Mit etwas Verhandlungsgeschick verbringen wir den ganzen Vormittag am Bastel- und Maltisch während ein Elternteil gereizt in Dauer-Telefonkonferenzen sitzt und die Wohnung sich langsam in ein Schlachtfeld verwandelt. Den Gedanken an Mittagessen kochen, wofür ich erstmal einkaufen gehen müsste, verdränge ich und versuche erstmal den Designer-Holz-Esstisch von Acrylfarben zu befreien, was allerdings erst im dritten Anlauf gelingt. Ein Blick auf die Uhr: Der Hund muss raus. Ich schaue auf das Thermometer: 15 Grad. Ich rede mir ein, es nieselt nur und frage enthusiastisch wer von den Kindern mit raus möchte. Das niederschmetternde Fazit: niemand. Hungrig und in Winterjacke gepackt, dafür mit Birkenstock-Sandalen (ich wollte ja schließlich Sommerurlaub machen), verlasse ich das Haus und schleife meinen Gut-Wetter-Hund 1000m hinter mir her, bevor ich schließlich durchfroren und durchnässt meinen Spaziergang aufgebe.

Also doch einkaufen. Immerhin ein Kind möchte mit und ein anderes schläft – somit etwas mehr Ruhe, dass zu Hause das Homeoffice wieder anlaufen kann. Als ich bei den Einkaufsläden keinen Parkplatz bekomme, ahne ich schon etwas. Nach 30-minütigem Anstehen an der Kasse zusammen mit gereizten Menschen mit diversen Akzenten weiß ich es: Sommerferien. Und ja, mit Baden-Württemberg haben ja jetzt alle Ferien. Diesmal hält sich meine Freude in Grenzen.

Der einzuhaltende Mindestabstand stellt eine Herausforderung für alle da, denn die Anstehschlange geht über die räumlichen Kapazitäten des Supermarktes hinaus. Nachdem mein Neffe und ich eine hochschwangere Frau vorlassen, beginnt eine ältere Dame ein Stück weiter hinter uns sich über meine Handlung lautstark zu beschweren. „Sie haben kein Recht, in der gesamten Schlange jemanden vorzulassen.“ Ich frage sie in ruhigem Ton, seit wann sie denn in der Schlange stünde und füge hinzu, dass, soweit ich das aus meinem Blickwinkel beurteilen könne, mein Neffe und ich zu dem Zeitpunkt, als wir die Frau vorließen, die letzten in der Reihe waren. Sie entgegnete mir, ich würde Schwachsinn erzählen und sollte mich jetzt endlich mal beeilen. Ich fragte freundlich nach, ob sie unter besonderem Zeitdruck stünde, sodass ihr ein schnelles Vorankommen so wichtig wäre. Als Antwort bekam ich ein „Das geht sie doch gar nichts an“ zu hören und sie wechselte in die Schlange der anderen Kasse.

Einmal kurz durchatmen, bitte.

Zurück zu Hause ist die Stimmung deutlich angespannter als zuvor. Kein Wunder, denke ich, hier hat ja noch niemand etwas gegessen seit dem Frühstück und das konzentrierte Arbeiten am Laptop gleicht bei der aktuellen Lautstärke einer Olympia-Disziplin. Ich versuche zwischen zwei sich um das Tablet streitenden Geschwistern zu vermitteln und schlage als Alternativvorschlag zwei Brettspiele vor, solange bis das Essen fertig ist. Der Größere möchte das eine Spiel spielen, die Kleine das andere und der Streit geht von vorne los. Die nächste Alternative wird somit das gemeinsame Kochen, das ehrlich gesagt zu diesem Zeitpunkt wohl mehr eine Anordnung als ein Vorschlag ist. Zur weiteren Konfliktvermeidung lasse ich die Frage, was wir kochen wollen, unter den Tisch fallen und entscheide selbst, auch wenn mein innerer Kritiker mich darauf aufmerksam macht, dass ich gerade nur mein eigenes Interesse vertrete.

Viel Zeit hierrüber nachzudenken bleibt nicht, denn ich stoße gerade auf die nächste Herausforderung: Auch die Küche gehört mittlerweile zum aktiv genutzten Homeoffice-Bereich dazu. Drei Erwachsene, drei Mal Homeoffice, drei Ferienkinder – willkommen in den Sommerferien 2020. „Johanna, was gibt es denn jetzt zum Mittagessen?“ ertönt es neben mir. „Nichts.“ sage ich. „Das Mittagessen fällt heute aus.“